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Cosplay & Historische Kleidung

1660er Barock WIP

Recherche

Barock wird sicherlich nie zu hundert Prozent meine Epoche sein, da mir viele Formen und Muster zu fremdartig erscheinen. Erhalten sind davon nur wenige Stücke, wie z.B. ein Oberteil im V&A Museum, sodass meine Inspirationen überdurchschnittlich oft in die Kategorie Gemälde fallen, siehe Gemälde 1 (gelbes Kleid), Gemälde 2 (blaues Kleid) und Gemälde 3 (graues Kleid). Eine ähnliche Stofffarbe gibt es im Gemälde 4 (grünliches Kleid). Beiden Quellen ist gemeinsam, dass man nicht viel über die Röcke erfährt. In The Cut of Women’s Clothes schreibt Norah Waugh, dass diese aber meist sehr unspektakulär ausgefallen sind, wodurch ich mein Hauptaugenmerk bei der Verzierung auf das Oberteil lenke. Das WIP wird sehr ausführlich ausfallen, da es mein erster Ausflug in die Barockmode ist.


Materialien

Obwohl die Portraits für mich den Anschein machen, als sei Seidensatin verwendet worden, und auch das Oberteil im V&A dies als Hauptmaterial angibt, habe ich mich aus Kostengründen für einen Dupion entschieden. Dieser besteht ebenfalls aus 100% Seide, weist aber eine unregelmäßigere Textur auf. Auch bei der Wahl der tragenden Futterschichten habe ich nicht die historisch korrektere Wahl getroffen. Dicht gewebte Leinenstoffe sind heute nur noch schwer erwerbbar, sodass sich die locker gewebten Ersatzprodukte unter dem Zug womöglich dehnen oder verformen würden. Stattdessen ist meine Entscheidung zu Gunsten von Baumwollcoutil ausgefallen, der vor allem im Korsetthandwerk Verwendung findet. Zwischen zwei Lagen sollen die Stäbchen geschoben werden. Anstelle von Fischbein gibt es wie immer Kabelbinder. Beim inneren Futter kann hingegen wieder der Leinenstoff glänzen. Genäht werden die inneren bzw. nicht sichtbaren Nähte mit Leinen-, die sichtbaren mit Seidengarn. Beim Seidengarn liege ich leider zwischen mehreren Farbtönen, wie man auf dem Bild erkennen kann. Granate und Süßwasserperlen sollen spätere Dekorationshighlights bilden.

Update: Durch zwei Lagen komme ich mit der Nadel nicht hindurch. Also muss ich eine durch Leinen ersetzen.


Schnittmuster

Wie immer mochte ich meine Schnittmuster selbst erstellen. Im Falle des Rockes bedeutet das nicht sonderlich viel Arbeit, da drei rechteckige Stücke Stoff einander genäht werden. In meinem Fall ergibt das 3,3m Saumweite. Das Oberteil hat eine Form, die mich immer wieder an Stays des 18. Jahrhunderts erinnert hat. Dementsprechend habe ich meine Stays als Basis verwendet. Ursprünglich geht ihre Form auf eine Skizze aus Diderots Enzyklopädie zurück, die ich mit der Zeit etwas modifiziert habe. Dieser pro Seite zweiteilige Schnitt musste nun neu unterteilt werden, sodass im Futter drei und im Oberstoff vier Stücke hervorgehen, wie es The Cut of Women’s Clothes für ein Modell von 1660 zeigt.


Oberteil

Wie bereits bei den Materialien erwähnt, besteht das Oberteil aus vier Schichten. Nur die oberste wird man später sehen, doch die restlichen sorgen für die nötige Struktur, da es keine Stays unter diesem Ensemble gibt, sondern lediglich eine Chemise. Zwischen einer Leinen- und einer Coutilschicht fanden also die Kabelbinder ihren Platz. Zunächst wollte ich breitere Tunnel für 7,8mm breite Plastikstäbe nähen, habe sie dann jedoch jeweils unterteilt zugunsten einer feineren Verstabung.

So wurde jedes Teil vorbereitet. Der Stich ist ein einfacher Rückwärtsstich mit Leinengarn.

Vor dem Aufnähen der Seide wollte ich bereits eine Anprobe machen, wofür Schnürösen her sollten, die aber wiederum durch alle Schichten gestickt werden müssen. Die Lösung bestand darin, den Bereich der Ösen schon einmal mit Oberstoff zu versehen, den Rest jedoch noch nicht.

Jetzt wurden alle Futterschichten per Rückwärtsstich miteinander verbunden. Dies hat sich bei meiner weiteren Recherche als nicht ganz authentisch herausgestellt, aber nun ist es zu spät. Die Nahtzugaben habe ich dann jeweils zur Seite geklappt und festgenäht.

Die Seide wurde mit einer zusätzlichen Schicht Coutil unterlegt. Hinterteile und Vorderteile habe ich separat vorbereitet und die Vorderteile bei dieser Gelegenheit jeweils mit den Perlen verziert. Insgesamt summierte sich die Dekoration auf drei Stränge mit 4mm Süßwasserperlen (hier hatte ich etwas Ausschuss) und etwas über zwei Stränge 4mm Granate.

Erst jetzt wurde die so hergestellte Hauptschicht mit der Futterschicht verbunden. Flach ausgebreitet schlägt sie ein paar Wellen, die sich durch die runde Körperform aber glätten und auch etwas Zug von der Seide nehmen sollen.

Die Zaddeln mussten dann noch eingefasst werden.

Das Schnittmuster der Ärmel habe ich nicht selbst gezeichnet, sondern aus Patterns of Fashion 1 übernommen. Nachdem ich die Seide mit Leinen gefüttert und beides als eine Schicht in Falten gelegt hatte, konnte ich den Ärmel einnähen. Hier musste ich wieder durch alle Schichten des Oberteils, was sich als Herausforderung gestaltete und die Stiche innen etwas chaotisch wirken lässt. Zuletzt habe ich den Träger wider Erwarten doch noch mit Leinen gefüttert, um dort alle offenen Kanten zu versäubern. Um Druckstellen zu verhindern, habe ich im unteren Teil des Ärmellochs darauf verzichtet. Dass die Hinterseite der Ärmel so stark in das Oberteil hinein ragt, ist übrigens historisch korrekt und absolut gewollt.

Damit sieht das komplette Oberteil nun so aus:


Rock

Wie bereits erwähnt, wurde der Rock aus drei Bahnen zugeschnitten (eine in kompletter Breite und zwei schmälere). Die Kanten wurden daher rechts auf rechts aufeinander genäht. Wo Webkanten aufeinandertreffen, ist ein Verwahren der Kanten nicht nötig. Für einen besseren Fall sind die unteren 9cm mit Leinen hinterlegt. Durch die Rechteckform musste die Mehrweite an der Taille von 330cm auf ca. 67cm gefaltet werden. Vorne ist der Rock faltenfrei, denn dort liegt er unter dem Oberteil, während er seitlich und hinten über den Zaddeln liegt. Geschlossen wird der Rock hinten, wo er einen Schlitz und Bänder besitzt. Beim Verarbeiten hat der Taft übrigens sehr stark gefusselt.

Um das nötige Volumen zu gewinnen, trage ich den Rock über einer ausgestopften Rolle (üblicherweise Teil meiner Rokoko-Garderobe) und mindestens einem Leinenunterrock.


Chemise

Das Unterhemd, oder Shift bzw. Chemise, soll wie das Oberteil schulterfrei sein und besitzt daher keine Träger. Vielmehr werden die Ärmel nur an den Kanten an dem vorderen und rückwärtigen Hauptteil befestigt. Der Ausschnitt kann daher durch ein Band in der Weite variiert werden. Außerdem sind die Ärmel etwas weiter als bei meinen Chemisen für andere Epochen, werden aber am Ellenbogen auf eine geringere Weite gerafft. Kleine Zwickel unter dem Arm ermöglichen eine erhöhte Bewegungsfreiheit. Die Chemise ist recht lang und wird im unteren Teil durch seitliche Keile erweitert. Beim Zuschnitt habe ich mich an den Recherchen dieses Blogs orientiert.


Hier geht es zurück zu den anderen WIP und Making-of Seiten.

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