Als gutes Basisstück dient das Unterkleid, welches aus einem rechteckigen Vorder- und Rückenteil sowie keilförmigen Erweiterungen besteht. Die ebenfalls viereckigen Ärmel werden bei meinen Kleidern durch Zwickel erweitert, um mehr Bewegungsfreiheit zu gewährleisten. Eine Anleitung findet ihr übrigens hier. Derselbe Schnitt kann aus Wolle oder Leinen ausgeführt werden (Hägg, 2015, S. 51f.). Wollköper, wie in meinem Beispiel, wurde in Birka-Gräbern nachgewiesen (Hägg, 2015, S. 173).
Da Wolle aber nur bedingt waschbar ist, nähe ich stets ein Unterkleid aus Leinen. Wahrscheinlich war dies aber eine Faser für wohlhabende Bevölkerungsschichten, also Vorsicht bei der Darstellung (Hägg, 2015, S. 119 u. 122). Der Schlitz konnte auf dekorative Weise mit einer Fibel, also Brosche, verschlossen werden. Ob die gemeinhin anzutreffenden Kleblattfibeln jedoch auf christliche Symbolik zurück gehen oder lediglich davon beeinflusst wurden, ist nicht vollständig nachzuweisen (Hägg, 2015, S. 139).
Laut Hägg gab es noch einen zweiten Typus dieses Kleides, der durch eine Naht in einen Ober- und Schürzenteil getrennt wurde (2015, S. 51f.). Dies habe ich im unteren Bild versucht nachzubilden.
Als interessante Sonderform wurden in Birka fein gefältete Stoffe gefunden, die womöglich auf einen Stil des 10. Jh. mit östlichen Einflüssen verweisen (Hägg, 2015, S. 124). Ein solches Kleid befindet sich bisher nicht in meiner Sammlung.
Darüber trage ich ein Trägerkleid, das ärmellos ist und bis knapp über die Brust reicht. Dies war laut Hägg durch Abnäher im vorderen und hinteren Bereich mehr auf Maß gearbeitet und reicht rund um den Körper (Hägg, 2015, S. 50f.). Eine offene Variante, wie sie lange in Birka vermutet wurde, weist Hägg in einer langen Rede ab (2015, S. 60-67), weshalb ich diese bisher nicht gefertigt habe. Auch für das Trägerkleid habe ich eine Anleitung. Karierter Stoff wurde ebenfalls gefunden (Hägg, 2015, S. 171). Abnutzungsspuren auf Höhe der Taille führt Hägg auf die Verwendung eines Gürtels zurück (ggfs. über dem Obergewand, 2015, S. 50f.).
Aufgrund der Verwendung von zierenden Fibeln und Trägern wird es auch Trägerkleid genannt. Die Schalenfibeln konnten aus unterschiedlichen Materialien gefertigt sein und mitunter sehr viel Detailarbeit enthalten. In Gräbern sind sie meist besser erhalten als die textilen Fragmente und haben letztere sogar vor den Verwesungsvorgängen geschützt. Schalenfibeln finden sich Ende des 9.Jh. seltener in Gräbern, was aber nicht bedeutet haben muss, dass sie auch im Alltagsleben aus der Mode gekommen waren oder der gesamte Trägerrock verworfen wurde (Hägg, 2015, S. 164f.). Um den Stoff zu schützen, werden sie durch Schlaufen gefädelt und reichen daher über die Stoffkante (Hägg, 2015, S. 61). Zwischen beiden Fibeln tragen viele Frauen im Reenactment-Bereich heute Ketten mit Glasperlen. Unten sieht man ein Bild meiner Fibelsammlung, wobei die unteren beiden Paare älter sind. Ich konnte für sie keine genauen Nachweise finden. Anders sieht es bei den oberen aus: Beispielsweise ähnelt das Paar oben rechts sehr einer Zeichnung, die den sogenannten P25 Stil um 800 zeigt (nach VikingAgeCompedium).
Hier eine Detailansicht meines Lieblingspaares, das laut derselben Seite dem Stil P51 ähnelt und damit in den Beginn des 10.Jh. fallen würde:
Die darüber getragene Schürze bildet eine weitere Schicht, die in den Ovalfibeln gehalten wird. Genaueres in der Anleitung. Stickereien wie hier und beim grünen Leinenkleid oben arbeite ich stets aus Wolle. Die Kombination mit Leinengewebe ist allerdings nicht exakt nachgewiesen.
Die Stickereien aus dem Oseberg-Fund waren z.B. in Seide gearbeitet (TRC II, 2016). Bekannt waren verschiedene Stiche, aber ich konnte nicht herausfinden, welche für welches Muster/Fläche verwendet wurden. Im Englischen ist von „chain stitch, raised herringbone stitch, stem stitch, and couching“ (TRC I, 2016) die Rede, sowie „satin stitch, split stitch, stem stitch, and couching“ (TRC II, 2016) im Falle des Oseberg-Schiffes. Meine Interpretation sieht dann so aus:
Des Weiteren habe ich eine Art Mantel genäht, der wohl das am freisten interpretierte Kleidungsstück in meiner Sammlung ist. Er besteht aus Wolle und folgt dem Schnitt des Basiskleides, wobei er vorne offen ist. Die rote Borte ist hingegen aus Leinen. Näht euren eigenen mit dieser Anleitung. Der sogenannte Birka Mantel, welcher im Reenactment-Bereich weit verbreitet ist, wird von Hägg mittlerweile angezweifelt. Stattdessen geht sie von einer Übertunika aus, bei der sie jedoch nicht von einer Frontöffnung spricht (2015, S. 52f.). Der offene Mantel findet sich zuletzt in den Ausgrabungen zu den Häfen von 1984 (S. 203). Daher noch einmal das Schlusswort: Vieles von dem, was wir über die Kleidung der Wikinger zu wissen glauben, ist eine Interpretation und muss nicht so gewesen sein.
Ein komplettes Outfit verschluckt in der Summe also einiges an Material. Dass die Wollstoffe aber wunderbar warm halten, konnte ich immer wieder in Skandinavien austesten.
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